12 Kennzeichen des Alterns (Hallmarks of Aging)
Das Altern ist ein komplexer biologischer Prozess. Wissenschaftler:innen haben 12 zentrale Mechanismen identifiziert, die den Alterungsprozess beeinflussen – von genetischen Veränderungen bis hin zu Zellalterung. Erfahren Sie, welche Rolle sie spielen und wie man sie möglicherweise beeinflussen kann.
Healthy Longevity

Warum altern wir?
Altern ist ein biologischer Prozess, der auf zellulärer und molekularer Ebene abläuft. In der bahnbrechenden Veröffentlichung „Kennzeichen des Alterns“ wurden 2013 neun Kennzeichen (Hallmarks of Aging) beschrieben. Diese neun Hallmarks wurden im Jahr 2023 durch drei weitere auf zwölf erweitert.
1. DNA-Instabilität
Mit steigendem Alter verlieren die DNA-Reparaturmechanismen, die zellulären Wächter, ihre Wirksamkeit. Es kommt zu Mutationen und fehlerhaftem Ablesen der Informationen, die auf unserem Erbgut gespeichert sind. Besonderes Augenmerk liegt hier auf den Stammzellen, die für die Erneuerung des Gewebes verantwortlich sind. DNA-Schäden können zu Gewebedegeneration und erhöhter Krankheitsanfälligkeit führen. Ziel der Langlebigkeitsforschung ist es, Mechanismen herauszufinden, die zu einer DNA-Stabilität und damit zu einer längeren Gesundheitsspanne führen.
2. Telomerverschleiss
Telomere bezeichnen eine Region, die sich am Ende jedes Chromosoms befindet, vergleichbar mit den Kappen am Ende eines Schnürsenkels. Ihre Aufgabe ist eine Schutzfunktion der DNA. Bei jeder Zellteilung verkürzten sich die Telomere, was eine Auflösung bzw. Instabilität der DNA zur Folge hatte. Dem entgegen wirkt die Telomerase. Ein Enzym, das die Telomere verlängern und so die schädlichen Auswirkungen aufhalten kann. Im Laufe unseres Lebens nimmt die Fähigkeit ab, dieses Enzym zu produzieren, was einen ungünstigen Einfluss auf verschiedene Reparaturmechanismen und unseren Gesundheitszustand hat.
3. Epigenetische Veränderungen
Unser Genom ist ein komplexer Bauplan des Lebens. Epigenetische Veränderungen, also äußere Umwelteinflüsse wie z.B. unser Lebensstil, können wie Markierungen auf diesem Bauplan fungieren. Durch diese Veränderungen kann es dazu kommen, dass die Gene und damit die enthaltenen Informationen unterschiedlich abgelesen werden, das Gene wie Lichtschalter an- und ausgeschaltet werden können.
Das hat Einfluss darauf, ob bestimmte Erkrankungen tatsächlich auftreten oder bereits bestehende wieder rückgängig gemacht werden können. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist die Entstehung des Typ-2-Diabetes.
4. Verlust der Proteostase
Die Proteostase ist ein System, das Proteine synthetisiert, faltet und abbaut. Für die Aufrechterhaltung von Struktur und Funktion der Proteine in unserem Körper ist dieser zelluläre Mechanismus von entscheidender Bedeutung. Mit zunehmendem Alter arbeitet dieses System nicht mehr so effizient. Folge sind Ansammlungen fehlgefalteter oder beschädigter Proteine mit Auswirkungen, die mit altersbedingten Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson zusammenhängen.
5. Deregulierte Nährstoffsensitivität
Mit dem Älterwerden neigen viele der Stoffwechselwege, die die Nährstoffsensitivität steuern, dazu, weniger effizient zu werden. Diese derregulierte Nährstoffsensitivität kann dann zu den typischen altersbedingten Stoffwechselveränderungen führen, wie z. B. einer verringerten Fähigkeit, Zucker und Fette effektiv zu verarbeiten, was zu Gewichtszunahme, Diabetes oder anderen chronischen Erkrankungen führen kann.
Die Forschung zur derregulierten Nährstoffsensitivität ist intensiv, da sie wichtige Implikationen für die Prävention und Behandlung von Stoffwechselkrankheiten und altersbedingten Erkrankungen hat. Ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen könnte helfen, neue Therapieansätze zu entwickeln, die das Risiko von Krankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringern.
6. Mitochondriale Dysfunktion
Mitochondrien sind die Kraftwerke unserer Zellen und unerlässlich zur Energiegewinnung. Sie regulieren Entzündungen und verhindern das Absterben von Zellen. Im Alter nehmen diese Funktionen stetig ab. Diese Fehlfunktionen führen dazu, dass Moleküle freigesetzt werden, die verschiedene Signalwege aktivieren, die entscheidend den Alterungsprozess beeinflussen.
Mitochondriale Dysfunktion wird als ein Hauptfaktor im Alterungsprozess angesehen. Im Alter nehmen die Mitochondrien in ihrer Funktionalität ab, was sowohl die Energieproduktion beeinträchtigt als auch die Ansammlung von Schäden durch oxidative Prozesse verstärkt. Dieser Mitochondriale Alterungsprozess ist ein zentrales Thema in der Altersforschung.
Die Forschung zu mitochondrialer Dysfunktion ist ein spannendes und sich entwickelndes Feld, da sie eine Schlüsselrolle in vielen altersbedingten Krankheiten und Störungen spielt.
7. Zelluläre Seneszenz
Zelluläre Seneszenz bezeichnet einen Zustand, in dem Zellen ihre Fähigkeit verlieren, sich weiterzuteilen und zu proliferieren, aber gleichzeitig am Leben bleiben und weiterhin aktiv sind. Dieser Zustand tritt oft als Reaktion auf Zellstress, DNA-Schäden oder andere schädliche Einflüsse auf. Seneszente Zellen sind metabolisch aktiv, produzieren Entzündungsstoffe und andere Moleküle, die das umliegende Gewebe beeinträchtigen können.
Zelluläre Seneszenz ist ein natürlicher Prozess und spielt eine wichtige Rolle in der Entwicklung und im Altern. Zum Beispiel hilft sie, die Ausbreitung von Krebszellen zu verhindern, indem sie das Wachstum von Zellen, die potenziell tumorös sein könnten, stoppt. Allerdings kann eine Ansammlung von seneszenten Zellen im Laufe der Zeit zu Gewebealterung und chronischen Entzündungen beitragen, was mit verschiedenen altersbedingten Erkrankungen in Verbindung gebracht wird.
Das Verständnis dieses Prozesses kann möglicherweise neue Ansätze zur Bekämpfung von Alterskrankheiten und zur Förderung des gesunden Alterns bieten. Aktuell im Fokus der Forschung Senolytika, die diese Zellen aktiv beeinflussen.
8. Stammzellenerschöpfung
Stammzellenerschöpfung bezieht sich auf den Zustand, in dem die Zahl oder die Funktion von Stammzellen im Körper abnimmt, was mit der Zeit die Fähigkeit des Gewebes beeinträchtigt, sich selbst zu regenerieren oder zu reparieren. Stammzellen sind spezielle Zellen, die sich in verschiedene Zelltypen differenzieren können und eine zentrale Rolle bei der Regeneration von Geweben spielen. Sie befinden sich in verschiedenen Geweben, wie z. B. im Knochenmark (wo sie Blutzellen produzieren) oder in der Haut (wo sie zur Reparatur von Hautgewebe beitragen).
Im Alter oder durch schädliche Einflüsse (z. B. durch Krankheiten, Entzündungen oder genetische Veränderungen) kann es zu einer Erschöpfung der Stammzellen kommen. Dies bedeutet, dass entweder die Anzahl der Stammzellen im Gewebe verringert ist oder dass die verbleibenden Stammzellen ihre Fähigkeit, sich zu teilen und funktionierende Nachkommen zu produzieren, verlieren.
Die Folgen der Stammzellenerschöpfung sind oft schwerwiegend, da der Regenerationsprozess langsamer oder weniger effizient wird. Dies kann zu einer erhöhten Anfälligkeit für altersbedingte Krankheiten und eine verringerten Heilungsfähigkeit führen. Beispiele sind die schlechte Heilung von Verletzungen oder die Entwicklung von degenerativen Erkrankungen wie Osteoporose oder Muskelschwund.
In der Forschung wird untersucht, wie man Stammzellen vor Erschöpfung schützen oder ihre Funktion wiederherstellen kann, um das Altern zu verlangsamen und altersbedingte Krankheiten zu behandeln.
9. Veränderte interzelluläre Kommunikation
Veränderte intrazelluläre Kommunikation bezeichnet Störungen in den Signalwegen innerhalb und zwischen Zellen, die ihre Funktion und Reaktion auf äußere Reize beeinflussen. Diese Kommunikation erfolgt über chemische, elektrische oder mechanische Signale.
Gestörte Signalübertragung kann Zellfunktionen beeinträchtigen und zu Entzündungen, Tumorbildung oder degenerativen Erkrankungen führen. Ursachen sind u. a. Mutationen in Signalproteinen, fehlerhafte Rezeptoren oder überaktive bzw. unteraktive Signalwege. Während überaktive Signale unkontrolliertes Wachstum (z. B. Krebs) fördern, können unteraktive Signale die Zellreparatur beeinträchtigen.
Mit dem Alter nehmen viele dieser Signalmechanismen ab, was Stoffwechsel, Zellregeneration und Immunantwort negativ beeinflusst. Dies begünstigt altersbedingte Erkrankungen wie Alzheimer oder Krebs. Die Forschung zielt darauf ab, diese Kommunikationswege zu stabilisieren, um gesunde Zellfunktionen zu erhalten.
10. Deaktivierte Makroautophagie
Autophagie kann man mit einer körpereigenen Müllabfuhr vergleichen - beschreiben. Ist diese ausgeschaltet oder beeinträchtigt, sammeln sich dysfunktionale Zellkomplexe an, mit Auswirkungen auf die Fähigkeit der Zelle zur Energiegewinnung über die Mitochondrien bis hin zur effektiven Beseitigung von Krankheitserregern. Mit zunehmendem Alter nimmt die Autophagie-Aktivität ab, mit Folgen: Entzündungsschübe, Verschlechterung der Zellfunktion und eine erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten.
11. Chronische Entzündung
Entzündungen gehören zum natürlichen Abwehrmechanismus des Körpers, aber ein Zuviel kann problematisch sein. Inflammaging ist ein Begriff, der die chronische, niedrige Entzündung beschreibt, die mit dem Alterungsprozess verbunden ist. Es handelt sich dabei um eine Art subklinische Entzündung, die nicht sofort offensichtlich ist, aber über lange Zeit hinweg im Körper aktiv bleibt und zu einer Vielzahl von altersbedingten Gesundheitsproblemen führen kann.
12. Dysbiose
Dysbiose bezeichnet ein Ungleichgewicht der Mikroben (wie Bakterien, Pilze, Viren und andere Mikroorganismen), die natürlicherweise im menschlichen Körper, insbesondere im Darm, leben. Unter normalen Bedingungen gibt es eine vielfältige und ausgewogene Mikrobiota (Mikrobenpopulation), die eine Vielzahl von Aufgaben erfüllt, darunter die Unterstützung der Verdauung, die Produktion von Nährstoffen, die Modulation des Immunsystems und die Abwehr schädlicher Keime. Wenn dieses mikrobielle Gleichgewicht gestört wird, spricht man von Dysbiose.
Dysbiose kann durch verschiedene Faktoren (Ernährung/Antibiotikaeinnahme/Stress) verursacht werden und kann zu einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen führen, darunter:
- Verdauungsprobleme
- Entzündungen
- Stimmungs- und Verhaltensprobleme: Das Mikrobiom hat auch Auswirkungen auf das Gehirn und das Nervensystem (dies wird als "Darm-Hirn-Achse" bezeichnet). Dysbiose kann mit Stimmungsstörungen wie Angstzuständen und Depressionen in Verbindung gebracht werden.
- Metabolische Störungen: Ein unausgewogenes Mikrobiom kann mit der Entstehung von Übergewicht, Diabetes Typ 2 und anderen Stoffwechselerkrankungen assoziiert sein.
Die beschriebenen Prozesse greifen ineinander und beeinflussen sich gegenseitig. Über verschiedene Ansätze, diese zu beeinflussen, wird intensiv geforscht. Wir beraten Sie anhand des aktuellen Wissenstandes der Alternsforschung über mögliche Ansätze.
Quelle: López-Otín, C., Blasco, M. A., Partridge, L., Serrano, M. & Kroemer, G. (2013). The Hallmarks of Aging. Cell, 153(6), 1194–1217.