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Digital Detox: Öfter offline für weniger Stress

Ein Leben ohne Smartphone? Für die meisten von uns undenkbar. Doch gleichzeitig fühlen sich immer mehr Menschen von der Always-on-Kultur gestresst. Wie wir lernen, durch einen bewussten Umgang wieder Herr übers Handy zu werden.

Psychische Gesundheit

Offline, Relax, Ausschalten, Stress

Smartphones regieren unseren Alltag: Fast jeder hat eins und nutzt es rund um die Uhr, ergab die Studie „Im Smartphone­Rausch“ von Deloitte aus dem Jahr 2018. Ob E­-Mails oder WhatsApp, Facebook, Nachrichten, Videos, Onlineshopping – die technischen Wunderwerke öffnen die Tür zur faszinierenden digitalen Welt mit all ihren Möglichkeiten. 

Der reflexhafte Griff zum Smartphone hindert uns am bewussten Wahrnehmen und Erleben unserer Umwelt.

Dr. Robert Krajnik

Berater und systemischer Therapeut bei Ge.on GmbH

Jedoch: Jeder zweite von Deloitte Befragte hat das Gefühl, vom Smartphone regiert zu werden und zu viel Zeit vor dem Display zu verbringen, bei den 25­- bis 34­-Jährigen sind es sogar zwei Drittel.Dr. Robert  Krajnik, Berater und systemischer Therapeut bei der Ge.on GmbH, beobachtet bei den Mitarbeitern vieler Unternehmen und Behörden Stresserscheinungen, die von digitalen Medien ausgelöst oder mit begünstigt werden. „Der reflexhafte Griff zum Smartphone hindert uns an etwas ganz Wesentlichem: dem bewussten Wahrnehmen und Erleben unserer Umwelt, dem Abschalten und dem effektiven Arbeiten“, sagt der 45-­Jährige, der in seiner Doktorarbeit die digitale Gesellschaftstransformation als eine Art Inszenierung beschreibt.

„Unser Organismus kann nur eine bestimmte Menge an Informationen aufnehmen. Wenn wir uns permanent einer Reizüberflutung aussetzen, löst das unweigerlich Stress aus.“ Mit dieser Beobachtung steht  Krajnik nicht alleine da. Experten wie der Psychiater Manfred Spitzer oder der Informatiker und Medienwissenschaftler Alexander Markowetz warnen vor dem „digitalen Burnout“ und zeigen anhand zahlreicher anerkannter Studien, wie die exzessive Smartphone­-Nutzung Überreizung, innere Unruhe und Schlafstörungen, Kurzsichtigkeit, Haltungsschäden und sogar Diabetes begünstigt.

Wo bleibt der Flow?

Insbesondere auf unsere  Arbeitsweise wirkt sich das ständige Starren aufs Handy negativ aus: Jedes Mal, wenn eine neue Botschaft aufblinkt, werden wir aus unserer momentanen Tätigkeit herausgerissen. Konzentrations­ und Leistungsfähigkeit sinken, weil unsere Aufmerksamkeit immer wieder abdriftet. Alle elf Minuten entsperren wir durchschnittlich unser Handy, stellten Forscher in der groß angelegten Studie „Menthal“ zur Nutzung von Mobiltelefonen fest. Damit kommen wir gar nicht mehr in den sogenannten Flow, also den Zustand kompletter Vertiefung in eine Aufgabe, der sich erst nach etwa 15 Minuten einstellt.

Wie der Technostress entsteht, untersucht auch das Forschungsprojekt „Prävention für sicheres und gesundes Arbeiten mit digitalen Technologien“ (PräDiTec).

Zwischen Erwartungsdruck und Glücksgefühlen

Doch warum fällt es uns so schwer, das Smartphone einfach wegzulegen? Robert Krajnik sieht dafür mannigfache Gründe: „In unserer Always­on ­Kultur ist permanente Erreichbarkeit zur Gewohnheit geworden und wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Das erzeugt einen hohen sozialen Druck – ständig ist man gefordert, Erwartungen anderer zu erfüllen.“ Dass viele ihrem Smartphone nicht widerstehen können, liege zum anderen aber auch an der „Ursehnsucht des Menschen, nicht allein zu sein“, denn genau diese Sehnsucht werde über das Handy und vor allem über soziale Medien gestillt, der Apparat wird zum technosozialen Begleiter aufgewertet.

Wer zu selektieren und zu agieren lernt, statt nur zu reagieren, schult seine Medienkompetenz.

Immer wenn etwa eine neue WhatsApp-­Nachricht aufblinkt, schüttet unser Gehirn das Glückshormon Dopamin aus – und davon wollen wir mehr. Schnell wächst das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn wir offline sind.

Wege aus der digitalen Stressspirale

Sollten wir dann nicht einfach wieder zum Dumbphone, dem Handy ohne Internet, wechseln? Robert  Krajnik verneint. „Es geht nicht darum, komplett aufs Smartphone zu verzichten, sondern zu lernen, bewusster damit umzugehen“, so der Experte, der diese digitale Mäßigung in Seminaren vermittelt.

Es beginnt damit, genau zu beobachten, wann, wie und wo man sein Handy zur Hand nimmt. Vergleichbar ist das mit der Analyse der Essgewohnheiten, wenn man abnehmen will: Wir wissen oft erst, welche Kalorienmengen wir am Tag zu uns nehmen, wenn wir jeden einzelnen Snack ins Ernährungstagebuch schreiben. Bei der Selbstwahrnehmung helfen können paradoxerweise auch Apps wie Menthal oder QualityTime. Sie ziehen am Ende des Tages Bilanz, wie oft das Handy aktiviert und welche Tätigkeiten ausgeführt wurden. Der Aha-­Effekt kann ein erster Impuls sein auf dem mühevollen vollen Weg, unliebsame Gewohnheiten zu ändern.Grenzen zu setzen macht fokussierter.

Digital entgiften: so klappt´s

  • Entrümpeln
    Mit dem Deaktivieren unnötiger Apps oder Benachrichtigungen dämmen Sie die tägliche Informationsflut schon ein großes Stück ein.
  • Regeln festlegen
    Sprechen Sie offen an, wenn Sie sich von der Vielzahl an eingehenden Nachrichten gestresst fühlen und nicht immer sofort antworten können oder möchten. Gemeinsame Regeln für die Kommunikation verringern den sozialen Druck.
  • Pausen machen
    Legen Sie smartphonefreie Zeiten ein. Genießen Sie diese Pausen. Sie werden merken: Sie verpassen rein  gar nichts.
  • Ignorieren lernen
    Nur Geduld! Antworten Sie nicht sofort auf jede Nachricht. Allein Sie selbst entscheiden, wann es für Sie passt zu antworten.
  • Signaltöne abstellen
    Pling! Jeder Signalton lenkt von der aktuellen Tätigkeit ab. Schalten Sie konsequent alle ab, und stellen Sie Ihr Handy auf Vibration.

     
  • Handyfreie Zonen
    Legen Sie handyfreie Räume fest: etwa das Schlafzimmer oder den Esstisch.

Wer gelernt hat, sein Verhalten wahrzunehmen, kann es in einem nächsten Schritt auch leichter steuern und kontrollieren. Und dies bedeutet vor allem: Grenzen ziehen, um wieder fokussierter zu werden. „Ein Großteil der ständigen Benachrichtigungen ist schlichtweg unnötig und belanglos“, so Krajniks Erfahrung. In seinen Seminaren wirbt er für analoge Selbstwirksamkeit: das Bewusstsein, sich nicht den digitalen Algorithmen zu unterwerfen, sondern frei über sein Kommunikations­ und Medienverhalten zu entscheiden. „Zeigen Sie Haltung, indem Sie nicht gleich auf jede Nachricht reagieren und indem Sie sich ganz gezielt nur wenige relevante Informationen aus der Flut der Nachrichten herausziehen.“  Schon kleine Maßnahmen können helfen: „Mitarbeiter, die im Urlaub sind, können oft gar nicht richtig abschalten, weil sie nach ihrer Rückkehr eine riesige E-­Mail-­Flut auf sich zurollen sehen“, erzählt Krajnik. Sein Rezept: eine automatische Antwort mit der Bitte, sich ab dem Datum X erneut zu melden, weil die E-­Mail während der Urlaubszeit automatisch gelöscht wird.

Zurück ins „richtige Leben“

Neben Reflexion und Selektion sieht Krajnik einen dritten Aspekt als wichtig an: das Offline­Leben wieder zu trainieren. Achtsamkeit kultiviert man nur, wenn man sich ganz auf die Menschen und die unmittelbare Umgebung einlässt. Reale Gespräche statt ellenlanger Chats, ein Waldspaziergang statt Instagram und ein richtiges Buch statt Nachrichten in Häppchenform. Mit etwas Selbstdisziplin ist digitales Entschleunigen gar nicht so schwer, sondern erhöht Ausgeglichenheit, Zufriedenheit und Effektivität.

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