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Fit im Alter: Wie Impfungen das Immunsystem schützen

Im Laufe des Lebens altert auch das Immunsystem: Die Abwehrkräfte schwinden, und wir werden anfälliger für Krankheiten. Dr. med. Markus Wiesand erläutert, wie gezielte Impfungen das Risiko schwerer Erkrankungen deutlich senken und die Lebensqualität im Alter langfristig sichern können.

Prävention

Dr. med. Markus Wiesand

Facharzt für Innere Medizin, Präventivmediziner (DAPM), Gastroenterologie, Arbeitsmedizin, Physikalische und Rehabilitative Medizin, Zusatzbezeichnung Infektiologie, Fachkunde Rettungsdienst, Reisemedizin, Ernährungsmedizin

Seit Jahrhunderten träumen die Menschen von der ewigen Jugend und dem unendlichen Leben. Der Mythos um den Jungbrunnen existiert bereits seit dem Mittelalter und erfreut sich bis heute seiner scheinbaren Unsterblichkeit in Literatur und Medizin. Aus dieser Sehnsucht heraus hat sich in den letzten Jahren der Begriff Longevity etabliert, der den Wunsch nach einem verlängerten und gesunden Leben umschreibt.

Obwohl wir wissen, dass es kein magisches Wasser gibt, das uns für immer schön oder jung hält, gibt es ein paar Tricks, um sich im Alter fit und gesund zu halten sowie die Lebensqualität zu wahren. So hat die Medizin herausgefunden, dass das Immunsystem eine entscheidende Rolle im Alterungsprozess und in der Langlebigkeit spielt und eine Schlüsselfunktion übernimmt: Eine wichtige wissenschaftliche Erkenntnis ist, dass sich unser Immunsystem mit zunehmendem Alter verändert. Fachleute sprechen von Immunoseneszenz.

Bei der Immunoseneszenz baut die Aktivität der Immunzellen sukzessive ab, die Zusammensetzung der Immunzellen verschiebt sich und die Abwehr reagiert langsamer auf neue Krankheitserreger. Folglich können vermehrt Infektionen auftreten und Krankheitsbilder schwerer verlaufen. Doch gezielte Impfungen können Abhilfe verschaffen und bilden die Basis, um möglichst lange fit und gesund zu bleiben.

Immunität – das Schutzschild unseres Körpers

Wie stark unser Immunsystem ist, baut auf zwei Abwehrmechanismen auf, welche mit zunehmendem Alter aus dem Gleichgewicht geraten:

  • Zelluläre Immunität: T-Zellen spüren infizierte Zellen auf und zerstören sie.
  • Humorale Immunität: Antikörper im Blut und in anderen Körperflüssigkeiten erkennen und neutralisieren Krankheitserreger.

Immunologische Veränderungen im Alter

Unser Körper altert nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich. Zwar bekommt unser Immunsystem keine Fältchen, dennoch verändert es sich mit jedem Lebensjahr. So werden einerseits Krankheitserreger langsamer erkannt und bekämpft, was zur Folge hat, dass Infektionen häufiger schwerwiegender verlaufen und eine verminderte Funktion des Immunsystems tritt ein. Andererseits verschiebt sich die Zellzusammensetzung. Es werden weniger Abwehrzellen neu produziert, dafür tragen wir mehr „verbrauchte Zellen“ in uns, deren Schutzwirkung sich nach und nach verringert. Zudem weisen wir, je älter wir werden, eine schwächere Impfreaktion auf: Impfstoffe wirken demnach weniger stark, bilden jedoch die Basis, um viele schwere Erkrankungen zu vermeiden. Umso wichtiger ist es, im Alter vorzusorgen – auch, was Impfungen betrifft. 

Praxis-Tipp: Impfungen rechtzeitig auffrischen

Ab dem 50. Lebensjahr steigt das Risiko für Infektionen deutlich an, während die Immunantwort auf Impfungen schwächer wird. Umso wichtiger ist ein konsequenter Impfschutz: Grundimmunisierungen sollten möglichst früh erfolgen, fehlende Impfungen nachgeholt und bestehende Impfungen rechtzeitig aufgefrischt werden. Neben Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten und Polio umfasst die Grundimmunisierung je nach Jahrgang und Status auch Masern-Mumps-Röteln (MMR) und ggf. Varizellen. Orientierung bietet der Impfkalender der STIKO.

Impfempfehlungen ab 50+

Gegen diese Erreger sollten Sie sich regelmäßig schützen:

Influenza (Grippe)

Grippeviren verbreiten sich überwiegend über Tröpfchen beim Husten oder Niesen. Für ältere Menschen stellt eine Infektion ein hohes Risiko dar: Die Krankheitsverläufe sind oft schwerer, und Komplikationen wie Lungenentzündung, Krankenhausaufenthalt oder sogar Todesfälle kommen häufiger vor. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt daher allen Personen ab 60 Jahren eine jährliche Grippeimpfung – am besten mit einem Hochdosis- oder MF59-adjuvantierten Impfstoff. Diese regen das Immunsystem stärker an und bieten besseren Schutz als Standardimpfstoffe.

Pneumokokken

Pneumokokken sind Bakterien, die besonders bei älteren Menschen gefährliche Lungenentzündungen verursachen können. Übertragen werden sie durch Tröpfchen – viele Menschen tragen die Erreger im Nasen-Rachenraum, ohne selbst zu erkranken. Die STIKO empfiehlt ab 60 Jahren den 20-valenten Konjugatimpfstoff (PCV20). Dieser schützt vor den häufigsten Erregertypen und sorgt für eine länger anhaltende Immunantwort als ältere Polysaccharidimpfstoffe. Wer früher mit einem Polysaccharidimpfstoff geimpft wurde, sollte nach mindestens sechs Jahren auf den Konjugatimpfstoff wechseln, um den Schutz möglichst vollständig zu halten.

Herpes zoster (Gürtelrose)

Nach einer überstandenen Windpockenerkrankung bleibt das Varicella-Zoster-Virus im Körper. Wird das Immunsystem schwächer, kann es reaktiviert werden und eine schmerzhafte Gürtelrose auslösen. Etwa die Hälfte der Menschen, die 85 Jahre alt werden, erkrankt im Laufe ihres Lebens daran. Seit 2018 steht mit Shingrix ein hochwirksamer Totimpfstoff zur Verfügung. Er schützt zu rund 90 Prozent – auch im hohen Alter. Die STIKO empfiehlt die Impfung für alle Personen ab 60 Jahren, bei schweren Grunderkrankungen bereits ab 50 Jahren. Die Impfung erfolgt in zwei Dosen im Abstand von mindestens zwei Monaten.

RSV (Respiratory Syncytial Virus)

RSV ist ein Atemwegsvirus, das besonders bei älteren Menschen und chronisch Kranken schwer verlaufen kann. Die Symptome ähneln einer Grippe, und die Infektionen treten meist saisonal gehäuft auf. Neu ist, dass inzwischen drei Impfstoffe zur Verfügung stehen: die proteinbasierten Präparate Arexvy und Abrysvo sowie der mRNA-Impfstoff mResvia. Die STIKO empfiehlt eine einmalige Impfung ab 75 Jahren. Für Menschen zwischen 60 und 74 Jahren ist die Impfung besonders sinnvoll, wenn sie unter schweren Grunderkrankungen leiden oder in Pflegeeinrichtungen leben.

Corona virus disease-19 (COVID-19)

COVID-19 wird durch SARS-CoV-2 ausgelöst und betrifft häufig Atemwege und Lunge. Typische Symptome sind Husten, Schnupfen, Hals-, Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber sowie Kurzatmigkeit bis Atemnot. Die Erkrankung hat sich von der Pandemie in eine Endemie entwickelt: Das Virus zirkuliert weiterhin, verursacht dank Omikron-Varianten und hoher Grundimmunität insgesamt seltener schwere Verläufe. Die STIKO empfiehlt besonders gefährdete Gruppen – u. a. Menschen ab 60 Jahren sowie Personen mit Immundefizienz oder bestimmten Grunderkrankungen – jährlich im Herbst eine Auffrischimpfung. Grundlage ist eine Basisimmunität aus mindestens drei Antigenkontakten, davon mindestens einer durch Impfung. Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Emergency Task Force der European Medical Agency (EMA) empfehlen, die Corona-Impfstoffe an die aktuell kursierenden Omikron-Varianten anzupassen. In Deutschland sind dafür aktualisierte mRNA-Impfstoffe (Comirnaty) sowie ein proteinbasierter Impfstoff (Nuvaxovid) erhältlich. Beide zielen auf die derzeit wichtigen Varianten ab und sind für die Auffrischimpfung in der Saison 2025/26 vorgesehen.
 

Hinweis für Risikogruppen (impfstoffübergreifend)

Priorisiert werden in der Regel:

  • Menschen ab 60 Jahren
  • Personen mit chronischen Erkrankungen oder Immundefizienz
  • Bewohner:innen von Pflege-/Alteneinrichtungen
  • Berufsgruppen mit erhöhter Exposition (z. B. Medizin/Pflege, Tätigkeiten mit viel Publikumsverkehr)
  • Schwangere (je nach Erreger, v. a. ab dem 2. Trimester)

Kurzüberblick - Abweichungen je Impfung:

  • Influenza: alle obigen Gruppen inkl. Schwangerschaft; ab 60 bevorzugt Hochdosis/MF59.
  • Pneumokokken: Fokus auf 60+ und chronische/immunsupprimierte; keine Routineindikation für Schwangerschaft/berufliche Exposition.
  • Herpes zoster: Standard ab 60, bei Risiko ab 50; keine Schwangerschafts-/Berufsindikation.
  • RSV (ältere Erwachsene): Schwerpunkt 75+; 60–74 bei erheblichen Grunderkrankungen/Einrichtungen; keine Berufsindikation.
  • COVID-19: Auffrischung ab 60 und bei chronischen/immunsupprimierten; Schwangere und Berufsgruppen mit hoher Exposition je nach Leitlinie/Setup.

Konkrete Indikationen richten sich nach STIKO und ärztlicher Beurteilung.
 

Gut geschützt im Alter

Auch wenn wir den biologischen Prozess des Alterns nicht aufhalten können, liegt es in unserer eigenen Hand, unser Leben gesund zu gestalten. Neben einer ausgewogenen, nährstoffreichen Ernährung und einem regelmäßigen Fitnessplan sind Impfungen ein wirksames Mittel, um das Immunsystem im Alter zu stärken und schwere Erkrankungen zu vermeiden. Im Rahmen des Check-Ups bieten wir daher eine umfassende Beratungsleistung an, die individuell auf Ihre gesundheitlichen Bedürfnisse eingeht und Sie dabei unterstützt, die besten Maßnahmen für Ihre Gesundheit zu treffen. Der Mix macht’s, wie immer!
 

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