So stärken Unternehmen die mentale Gesundheit ihrer männlichen Arbeitnehmer
Männer sprechen seltener über psychische Belastungen als Frauen. Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ermöglicht Betroffenen, mit neutralen Experten Lösungen zu finden. BEM-Berater Michael Wetzel zeigt die Vorteile für Unternehmen und Arbeitnehmer auf.
EAP
Laut des AXA Mental Health Reports 2024 gaben 31 % der Deutschen in einer Umfrage an, zu diesem Zeitpunkt unter einer psychischen Erkrankung zu leiden. Im ersten Halbjahr 2024 stieg der Krankenstand aufgrund psychischer Erkrankungen bei Erwerbstätigen zudem auf circa 5,7 % an – ein Zuwachs gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Und obwohl die öffentliche Debatte rund um mentale Gesundheit in den letzten Jahren durchaus ehrlicher und reflektierter geworden ist, reden vor allem Männer immer noch zu selten oder seltener über psychische Belastungen. Eine Tatsache, mit der auch Michael Wetzel in seinem Berufsalltag als BEM-Fachreferent der ias-Gruppe immer wieder konfrontiert wird. „Männer sind pragmatischer veranlagt. Wenn es ihnen körperlich nicht gut geht, bringen sie das nicht sofort mit ihrer mentalen Verfassung in Verbindung. Dabei sind es häufig Auslöser wie Stress oder Druck, die körperliche Beschwerden verursachen können“, bestätigt er. Im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) begleitet und unterstützt er für Unternehmen auch Führungs- und Fachkräfte, die nach längerer oder häufiger Krankheit wieder in den Berufsalltag zurückfinden. Anlässlich des Internationalen Männertag am 19. November haben wir mit ihm darüber gesprochen, wieso Männer in Bezug auf ihr „Seelenleben“ häufiger länger still leiden – und wie Unternehmen ihre Arbeitnehmer im Rahmen des BEM aktiv unterstützen können.
Herr Wetzel, wie können insbesondere Männer ermutigt werden, offen über psychische Belastungen zu sprechen und das BEM-Angebot ihres Arbeitgebers aktiv zu nutzen?
Häufig haben Arbeitnehmer die Sorge, wenn sie ihre mentalen Probleme thematisieren, könnte sich das negativ auf ihre Anstellung auswirken. Das ist heutzutage im BEM allerdings der seltenste Fall. Schließlich haben wir akuten Fachkräftemangel, Unternehmen suchen sehr lange nach passenden Arbeitnehmern und wollen sie dann auch langfristig binden. Meinem Empfinden nach achten Arbeitgebende deshalb heute viel mehr darauf, die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu erhalten und auch Langzeiterkrankte wieder einzugliedern. Es findet also ein Umdenken bei den Führungskräften statt. Das Stichwort ist Kommunikation. Erst einmal sollte der Belegschaft das BEM als Angebot überhaupt bekannt sein. Oftmals wird es auch besser angenommen, wenn es durch ein externes Unternehmen, wie in diesem Fall die ias-Gruppe, betreut wird und ein gesicherter, vertrauensvoller Rahmen gegeben ist. Und auch der Austausch untereinander hilft – wenn Kollegen sich gegenseitig von ihren Erfahrungen berichten oder auch Führungskräfte das BEM empfehlen, werden Hemmschwellen leichter abgebaut. Zudem ist es ein freiwilliges Angebot an den Arbeitnehmer, der es auch jederzeit wieder beenden kann. Mann (!) hat also nichts zu verlieren – eher im Gegenteil.
Dabei sind es häufig Auslöser wie Stress oder Druck, die körperliche Beschwerden verursachen können
Wie kann das BEM dazu beitragen, mentale Belastungen oder auch körperliche Beschwerden frühzeitig zu erkennen und zu behandeln?
Wir gehen mit den Mitarbeitenden aktiv in den Austausch: Wie geht es ihnen gerade, plagen sie körperliche oder mentale Beschwerden, wo könnten diese herkommen? Welche Möglichkeiten gibt es, um sich etwas Gutes zu tun? Wir beraten auch hinsichtlich präventiver Maßnahmen. Wie wäre es zum Beispiel mal mit einem Bildungsurlaub/Bildungszeit, der gezielt dafür genutzt wird, um Tools zu erlernen, mit denen der stressige Alltag besser bewältigt werden kann? Es gibt im BEM auch viele Möglichkeiten, begleitend in gemeinsame Gespräche mit der Führungskraft zu gehen, um körperliche oder mentale Probleme, die früh erkannt werden, auch früh anzugehen. Ein BEM-Verfahren eignet sich ideal für einen moderierten Dialog, weil wir als BEM-Berater:innen auch eine gewisse Neutralität gegenüber beiden Parteien mitbringen. Über die Jahre kann ein gut durchgeführtes BEM deshalb auch ein gutes Monitoring sein: Wie geht es den Menschen, die im Unternehmen tätig sind?
Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur bei der Förderung der mentalen Gesundheit von Männern und wie kann das BEM hier positiv Einfluss nehmen?
Je sichtbarer das BEM und das Angebot, mit einer neutralen Person in den Dialog zu gehen, gemacht werden und je besser beides kommuniziert wird innerhalb des Unternehmens, desto häufiger entscheiden sich auch Arbeitnehmer:innen dafür, die das BEM vielleicht vorher abgelehnt hätten. Dabei spielen auch die Führungskräfte eine wesentliche Rolle. Eine kommunikative Unternehmenskultur trägt enorm dazu bei, dass wir möglichst viele Arbeitnehmer:innen erreichen. Im Hinblick auf Männer merken wir, dass der Austausch untereinander sehr wertvoll ist. Wenn Kollegen also von ihren Erfahrungen erzählen und ein Gespräch mit uns BEM-Beratern empfehlen, fällt es männlichen Arbeitnehmern häufig leichter, unser Angebot wahrzunehmen.
Welche Tipps haben Sie für Führungskräfte, um Männer im BEM-Prozess (oder auch darüber hinaus) mental besser zu unterstützen?
Wichtig ist, den Führungskräften erst einmal Unsicherheiten zu nehmen. Wenn sie das Gefühl haben, da stimmt etwas nicht, da liegt noch etwas im Argen, können auch sie auf uns zukommen. Wir bieten auch an, das Gespräch mit dem betroffenen Arbeitnehmer zu moderieren. Und generell empfehlen wir Führungskräften, ihre Kollegen zu ermutigen, dass BEM anzunehmen. Dabei ist es wichtig, ihnen Ängste zu nehmen und klarzustellen: Es geht nicht darum, jemanden loszuwerden, sondern einen Weg zu finden, wie derjenige wieder gesund werden und in den Arbeitsalltag zurückfinden kann. Dafür braucht es eine offene Unternehmenskultur und Akzeptanz statt Skepsis oder Ablehnung auf Führungsebene. Wenn wir alle Beteiligten an Board haben, dann werden auch anfangs als kompliziert empfundene Fälle zu einer gemeinsam lösbaren Aufgabe.
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Die psychischen Belastungen der Beschäftigten im Mittelstand haben in den letzten Jahren zugenommen. Das ist die Wahrnehmung jeder zweiten Führungskraft (48,2 %) und eines der zentralen Ergebnisse der aktuellen Studie (2025) der ias-Gruppe. Es ist deshalb entscheidend, gezielte Maßnahmen zur Unterstützung der mentalen Gesundheit zu ergreifen. Wie das aussehen kann, lesen Sie unsere Kundenreportage zu EAP: