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Hand in Hand zurück in den Job

Längerfristige krankheitsbedingte Ausfälle bringen Unternehmen häufig in Bedrängnis. Ernsting’s family startete ein strukturiertes Betriebliches Eingliederungsmanagement. Mit Erfolg

Praxisreport BEM

Ernstings-Family

Rund 12.000 Mitarbeiter beschäftigt Ernsting’s family. Ein Großteil davon bleibt viele Jahre beim Textileinzelhändler. Ein Grund dafür: das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM). Das Unternehmen zählt auf diesem Gebiet zu den Vorreitern. Vergangenes Jahr erweiterte es sein Engagement für die Mitarbeitergesundheit um das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM).

„Schon immer war es uns wichtig, mit Mitarbeitern, die über längere Zeit arbeitsunfähig sind, ins Gespräch zu kommen und ihnen zu helfen, wieder ins Arbeitsleben zurückzufinden“, sagt Ralf Schillmüller, Leiter Soziales/Mitarbeiterzufriedenheit und verantwortlich für Gesundheitsthemen – am Unternehmenssitz im münsterländischen Coesfeld-Lette. Allerdings war der Prozess kaum strukturiert und es gab viele Unsicherheiten: Wie spricht man die betroffenen Kollegen an? Was darf man fragen, was nicht, und wie lässt sich der BEM-Prozess insgesamt strukturiert, transparent und damit nachhaltig gestalten?

Durch den offenen Dialog und die individuellen Hilfsangebote fühlen sich die Kollegen ernst genommen

Ralf Schillmüller

Leiter Soziales / Mitarbeiterzufriedenheit

Intensiv kommuniziert

Das Team holte sich professionelle Unterstützung von der ias, mit der Ernsting’s family bereits in den Bereichen Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit zusammenarbeitet. Gemeinsam mit ias-Sozialberater Otmar Kuck wurde ein schlüssiges Konzept entwickelt. Rund 75 Führungskräfte wurden nach dessen Vorgaben zum Thema BEM geschult.

Trotz der herausfordernden dezentralen Unternehmensstruktur klappte die flächendeckende Umsetzung reibungslos – dank einer bundesweiten Vortragsreihe und intensiver Kommunikation in den unternehmensinternen Medien, zu denen auch eine App für Mitarbeiter gehört. In einem Frühwarnsystem sehen die Führungskräfte nun, wer mehr als sechs Wochen am Stück oder in mehreren Abschnitten arbeitsunfähig war, und bieten daraufhin das Gespräch an. Personalexperte Schillmüller hat bis heute etwa 200 Einladungen an längerfristig krankgeschriebene Kollegen geschickt: „Viele der erkrankten Mitarbeiter nehmen dieses freiwillige Gesprächsangebot gerne an – schließlich geht es darum, jeden Einzelnen zu unterstützen und ihm Sicherheit zu geben.“ Ein strukturiertes, transparentes BEM sieht er auch als ein Signal der Wertschätzung. „Durch den offenen Dialog und die individuellen Hilfsangebote fühlen sich die Kollegen ernst genommen und sehen, dass wir sie auch in schwierigen Zeiten nicht im Stich lassen, sondern ihren Arbeitsplatz erhalten möchten.“ Deshalb schließen sich meist weitere Gespräche an, in denen das Feedback zu den vereinbarten Maßnahmen im Fokus steht und eventuell noch genauer an der Lösung gefeilt wird. Jeder Fall ist anders.

Ralf Schillmüller, Ernsting´s family
Ralf Schillmüller ist bei Ernsting’s family für Gesundheitsthemen verantwortlich.
Ralf Schillmüller

Das Warum ergründen

Wertvoll sind die Gespräche für Ernsting’s family auch deshalb, weil sie helfen, eventuelle unternehmensbezogene Gründe für die Arbeitsunfähigkeit zu ermitteln. „In Logistik und Vertrieb beobachten wir etwa vermehrt Muskel- Skelett-Erkrankungen als Ursachen für längere krankheitsbedingte Ausfälle. Diese Daten sind wie ein Seismograf, der uns zeigt, wo wir noch aktiver werden können“, erläutert Schillmüller. Ergonomische Arbeitsplätze sind bei Ernsting’s family längst Standard, darüber hinaus motiviert das Unternehmen seine Mitarbeiter mit Sportkursen, Firmenrad-Aktionen oder Firmenläufen zu mehr Bewegung: Viele trainieren gemeinsam für Sportevents, das Unternehmen stattet sie mit T-Shirts aus, übernimmt die Startgebühren und spendet fünf Euro pro gelaufenem Wettkampf-Kilometer für den Verein Herzenswünsche e. V.

Psychische Erkrankungen stehen auf der Liste der Ausfallursachen ebenfalls weit oben. Sie haben laut Studien verschiedener Krankenkassen in den letzten Jahren auch gesamtgesellschaftlich zugenommen. Ernsting’s family will deshalb im nächsten Schritt die psychische Gefährdungsbeurteilung einführen. „BGM und BEM greifen ineinander. Zusammen mit gesunder Führung und vielen kleineren Maßnahmen sind sie fester Bestandteil unserer Unternehmenskultur“, ist Schillmüller überzeugt.

Bei den Beschäftigten kommen die Bemühungen gut an – die Mitarbeiterzufriedenheit und die Loyalität zum Arbeitgeber sind im Branchenvergleich überdurchschnittlich hoch. So ließe sich der Slogan des Textilriesen, „Von fröhlichen Familien empfohlen“, abwandeln in: „Von zufriedenen Mitarbeitern empfohlen“.

Ihr Ansprechpartner:

Otmar Kuck Ge.on BGM, Betriebliche Sozialberatung der ias-Gruppe

Email

BEM – Der gesetzliche Hintergrund

Die Präventionsvorschrift des § 167, Abs. 2, SGB IX verpflichtet Arbeitgeber, bei einer Arbeitsunfähigkeit von Beschäftigten länger als sechs Wochen (ununterbrochen oder wiederholt) innerhalb von zwölf Monaten aktiv nach Möglichkeiten zu suchen, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und einer erneuten vorzubeugen. Die ias unterstützt sie dabei – mit Beratung, Materialien, Konzepten und Seminaren.

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