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Prävention & Pandemie: Was uns die Check-ups zeigen

Wie haben sich 15 Monate Pandemie auf unsere Gesundheit und Leistungsfähigkeit ausgewirkt? Wir haben nachgefragt und die leitenden ias PREVENT-Ärzte Dr. Herbert Sterzik (Frankfurt) und Elmar Ngo (München) um ihre Einschätzung gebeten. Zu hören und zu sehen waren beide beim (Online-) Experten-Talk der ias PREVENT am 17. Juni 2021. Unser Follow-up Interview fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.

Experten-Talk

Unter die Lupe genommen

Mehr als ein Jahr Arbeiten unter den herausfordernden Bedingungen der Corona-Pandemie bringt wie durch ein Brennglas zutage, welche Risiken entstehen, wenn die eigene Gesundheit für längere Zeit vernachlässigt wird. Gerade Führungskräfte stehen besonders unter Druck. Ihrer bzw. ihrem Check-up-Ärzt:in berichten sie ungeschönt, wo der Schuh drückt und wann für sie die Belastung ein kritisches Maß erreicht. Die Ergebnisse aus den Gesundheits-Check-ups der vergangenen Monate zeigen u.a. die aktuelle Belastungssituation bei Führungskräften und liefern wichtige Erkenntnisse für die betriebliche Organisation. Dr. Herbert Sterzik und Elmar Ngo teilten im Online-Experten-Talk ihre Beobachtungen und Erkenntnisse. 

 

Lebensqualität und Leistungsfähigkeit

Herr Dr. Sterzik, die Zahlen über Erkrankte und Verstorbene im Zusammenhang mit COVID-19 zeichnen ein deutliches Bild, ebenso die Ausmaße für Wirtschaft und Gesellschaft. Darüber hinaus gibt es aber auch positive Effekte des Lockdowns. Welche sind das? 

Beobachtet an unserer Klientel – zum großen Teil Führungskräfte, die bis dato jobbedingt viel unterwegs waren – können wir sagen, dass sich durch das Arbeiten von zu Hause die Lebensqualität erhöhte. Neben dem Zeitgewinn aus dem Wegfall der Pendelfahrten und Geschäftsreisen, blieb mehr qualitative Zeit für die Familie und auch mehr „me-time“. Die freiere Zeiteinteilung erlaubte es z.B. auch mal mittags Sport zu treiben oder regelmäßig frisch zu kochen. Das haben wir auch in den Check-Up-Werten sehen können: So verbesserte sich sogar bei einigen Klient:innen der BMI (Body Mass Index = Maß zur Beurteilung des Körpergewichts) ebenso wie der VO2max (Gradmesser für die Ausdauerleistungsfähigkeit) beim Belastungstest. Das steigerte nicht nur persönliche positive Wahrnehmung, sondern auch die Leistungsfähigkeit. 

Dr. Herbert Sterzik, Standortleiter ias PREVENT Frankfurt

Dr. med. Herbert Sterzik

Facharzt für Innere Medizin, Leitender Arzt ias PREVENT GmbH Frankfurt/Main

Herr Ngo, die Pandemie ließ jedoch auch die Zahl mentaler Verstimmungen und Depressionen rasant steigen. Der Verlust von festen Strukturen, wie der Fahrt zur Arbeit und der fehlende Austausch mit anderen, spielten hier u.a. eine Rolle. Was sind die Hintergründe?

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und profitiert von geordneten Strukturen und geübten Routinen. Das beginnt meist schon mit dem Start in den Tag, immer zur gleichen Uhrzeit. Aufstehen, duschen, der Weg zu Arbeit. Diese vorbestehenden Routinen wurden deutlich durcheinander gebracht. Der Weg zur Arbeit fiel weg, die Notwendigkeit sich „bürofertig“ zu machen ebenso. Stattdessen gab es nun durchgetaktete virtuelle Meetings – für gewöhnlich mit Kamera-Präsenz. Das war für die meisten neu und belastend. Auch häufige Unterbrechungen und Störungen während der Arbeit von zu Hause, z.B. durch die ebenfalls zu Hause bleibende Familie, bargen ein großes Stresspotential.

Auswirkungen auf die Psyche

Der direkte Kontakt mit den Kollegen fehlt. Ich glaube nicht, dass das ein Problem für die Person im Homeoffice ist, sondern eher für die Kolleg:innen im Büro. Man wird für die Büro-Kolleg:innen unsichtbar, und ich denke, die Gefahr ‚übersehen‘ zu werden, steigt.

Auch die fehlenden sozialen Kontakte spiel(t)en eine große Rolle. EinTeil unserer Klient:innen berichten, dass Homeoffice teils einsam macht: Der fehlende Austausch kann das Gefühl der Unsichtbarkeit hervorrufen und auch das nötige Feedback reduzierte sich.

Das alles begünstigt depressive Verstimmungen. Studien belegen zudem, dass Menschen mit bereits erlebten Depressionen oder psychischen Belastungen, während der beiden Lockdowns schneller erneut erkrankten als andere.

Bewegung und Ernährung

Herr Ngo, welchen Einfluss haben die veränderten Gewohnheiten auf die physische Gesundheit?

Während einige die Chance zum Start in eine gesündere Lebensweise genutzt haben, führte das Arbeiten im Homeoffice bei anderen zu Bewegungsmangel bei gleichzeitig schlechter/ungesunder Ernährung. Für viele war die permanente Verfügbarkeit von hochkalorischen Lebensmitteln wie Gummibärchen, Schokolade und Softdrinks zu verlockend - vielleicht auch begründet mit der Absicht sich für etwas zu belohnen.

Elmar Ngo, Standortleiter ias PREVENT München

Elmar Ngo

Facharzt für Innere Medizin mit den Zusatzbezeichnungen Ernährungsmedizin und Intensivmedizin, Leitender Arzt ias PREVENT GmbH München

Viele verließen aus Angst vor Ansteckungen und/oder aufgrund von behördlichen Anordnungen kaum die eigenen vier Wände. Bleibt längere Zeit die nötige Bewegung an der frischen Luft aus, kann das zu einem Vitamin D-Mangel führen. Veränderungen des Vitamin D-Spiegels haben wir auch in den Check-ups gesehen, bei der Betrachtung der Mikronährstoffe. Zu den Mikronährstoffen gehören Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, sekundäre Pflanzenstoffe, essenzielle Fettsäuren und Aminosäuren – Stoffe, die für den Körper lebenswichtig sind. Im Gegensatz zu Makronährstoffen kann der menschliche Körper Mikronährstoffe nicht selbst herstellen. Für einen funktionierenden Stoffwechsel muss er sie daher mit der Nahrung aufnehmen.

Die Relevanz der Mikronährstoffe

Im Körper sind Vitamine an vielen Vorgängen beteiligt. Besonders wichtig sind sie auch für das Immunsystem, damit Krankheitserreger erfolgreich abgewehrt werden können. Daneben erfüllt jedes Vitamin ganz eigene Aufgaben. Der Körper kann das fettlösliche Vitamin D bei Sonneneinstrahlung auf die Haut meist nicht in ausreichender Menge herstellen. Das liegt zum einen am Arbeitsalltag, der meist in geschlossenen Räumen stattfindet und zum anderen wird eine ausreichende Vitamin D  Zufuhr über die Ernährung selten gewährleistet. Vitamin D reguliert den Kalziumhaushalt und ist damit wichtig für die Knochenstabilität. Ebenfalls ist bekannt, dass ein zu niedriger Vitamin D-Spiegel häufig psychische Erkrankungen wie eine Depression, Schlafstörungen oder ein „Burn-out“ triggern und/oder verstärken kann.

Neue Online-Formate

Die Pandemie sorgte für einen Digitalisierungsschub. Wie wirkt sich dieser bei der Gesunderhaltung von Beschäftigten aus, Herr Dr. Sterzik?

Er birgt eine große Chance. Auch wir haben in der Pandemie digitale Formate entwickelt, um in den Lockdown-Zeiten der Pandemie wichtige Unterstützungsangebote bereitzustellen. Mit sehr großem Zuspruch. Online Health Coaching wurde in Sachen Bewegung, Ernährung und Stressmanagement zu einem wichtigen Kanal für unsere Klient:innen.

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