Direkt zum Inhalt

Das ist neu im Berufskrankheitenrecht

Seit dem 1. Januar 2021 hat sich das Berufskrankheitenrecht geändert. Die wohl gravierendste Änderung der neuen Verordnung: Wer nachweislich eine Berufskrankheit hat, muss oder darf nun seine Tätigkeit trotzdem weiter ausüben.

Arbeitsmedizin

Das Berufskrankheitenrecht betrifft Krankheiten, die sich eine versicherte Person bei ihrer Arbeit zugezogen hat und die laut Berufskrankheiten-Verordnung anerkannt sind. Während sich ein Arbeitsunfall auf ein konkretes Ereignis bezieht, das sich im Betrieb oder auf dem Arbeitsweg zugetragen hat, entwickelt sich eine Berufskrankheit langsamer und kann vielfältige Ursachen haben. Sie wird nur anerkannt, wenn sie durch besondere Einwirkungen verursacht worden ist, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße ausgesetzt sind als die übrige Bevölkerung und sie zudem noch in einer entsprechenden Liste aufgeführt ist.

Der Wegfall des „Unterlassungszwangs“

Die wichtigste Änderung betrifft den Wegfall des Unterlassungszwangs, der bislang bei neun Berufskrankheiten bestand. Darunter: einige Atemwegserkrankungen, schwere Hauterkrankungen sowie vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen. Um in diesen Fällen Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu bekommen, mussten viele Arbeitnehmer bisher ihre Tätigkeit aufgeben. Sie wurden entweder arbeitslos oder arbeiteten trotz ihrer Krankheitserscheinungen weiter, weil die eventuell geringe Berufskrankheitenrente finanziell nicht ausgereicht hätte.

Mit der Neuregelung haben Beschäftigte die Möglichkeit, an ihrem bisherigen Arbeitsplatz weiterzuarbeiten, wenn sie an „individual-präventiven“ Maßnahmen der Berufsgenossenschaft (BG) teilnehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitwirken. Dies kann etwa ein Hautschutzseminar oder ein gezieltes, berufsspezifisches Rückentraining sein, das einem erneuten Ausbruch oder einer Verschlimmerung einer Berufskrankheit entgegenwirkt. Rückwirkend bis 1997 werden bei diesen Berufskrankheiten nun die Ansprüche neu geprüft und gegebenenfalls. auch sich daraus ergebende Leistungsansprüche neu bewertet.

Stärkung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats

Das bisher nur ehrenamtlich tätige Gremium der beratenden Wissenschaftler erhält nun eine Geschäftsstelle bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sowie personelle und finanzielle Unterstützung. Dadurch sollen Entscheidungen über neue Berufskrankheiten künftig schneller erfolgen. 

Einrichtung eines Arbeitsplatz- und Gefährdungskatasters durch die gesetzliche Unfallversicherung

Weil häufig Erkenntnisse über Gefährdungen an früheren Arbeitsplätzen bei den Ermittlungen nur schwer nachvollziehbar waren, sollen die Unfallversicherungsträger nun mehr Daten erheben und Arbeitsplätze mit den jeweiligen Gefährdungen in einem Expositionskataster archivieren. Potenzielle Auslöser von Berufskrankheiten sollen somit an zentraler Stelle dokumentiert werden, um für die Zukunft trägerübergreifend abrufbar zu sein. Die Kataster sollen es den Arbeitnehmern dann leichter machen, ihre Berufskrankheit nachzuweisen. Die bislang mangelnde Transparenz und dadurch oft auch lange Bearbeitungsdauer soll sich dadurch deutlich verbessern.

Der so genannte Unterlassungszwang besteht bei insgesamt neun Berufskrankheiten. Dies sind:

  1. Erkrankungen durch Isocyanate (BK 1315)

  2. Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze (BK 2101)

  3. Vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen an den Händen (BK 2104)

  4. Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (BK 2108)

  5. Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter (2109)

  6. Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch Ganzkörperschwingungen (BK 2110)

  7. Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (BK 4301)

  8. Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (BK 4302)

  9. Hauterkrankungen (BK 5101)

Diesen Artikel teilen

Lesen Sie mehr

ias-Kundenmagazin

Spezial zum Thema Vernetzte Gesundheit

zum E-Paper

impulse