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Damit Ältere länger am Ball bleiben

Mehr als jeder zweite Arbeitnehmende geht vorzeitig in Rente. Manchmal freiwillig, manchmal krankheitsbedingt, vor allem aber Arbeitnehmende, die lange körperlich schwer gearbeitet haben. Die ias-Sicherheitsingenieure Stefan Kampe und Sebastian Steder betreuen Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden länger gesund halten wollen.

Arbeitssicherheit

Arbeitssicherheit, ias, BGM

Welche Erfahrungen machen Sie in den Betrieben?

KAMPE: Die Gleichung, je älter Mitarbeitende, desto häufiger und länger fallen sie auch aus, trifft zu. Statistisch gesehen sind Mitarbeitende ab 50 Jahren jährlich doppelt so lange arbeitsunfähig wie die Gruppe der 25 bis 34-Jährigen. Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems stehen neben psychisch bedingten Ursachen mit ganz oben auf der Liste. Die Unternehmen suchen daher nach Lösungen, die ihre körperlich schwer arbeitenden Mitarbeitenden unterstützen.
STEDER:  Da die Stellen vielfach durch den Arbeits- und Fachkräftemangel nicht mehr nachbesetzt werden können, ist es umso wichtiger, die vorhandenen Mitarbeitenden gesund zu erhalten. Dabei sind es mitunter Kleinigkeiten, die angepasst werden können, um eine ergonomischere Arbeitsausführung zu gewährleisten. Technische Hilfsmittel, wie ein elektrischer Hubwagen oder ein Wagen mit Scherenhub, können die Mitarbeitenden deutlich entlasten.
KAMPE: Die Arbeitswelt ist in Bewegung, daher sollten Unternehmen sie genau im Blick behalten. Wir beobachten, dass der Einzug neuer Technologien und Arbeitsweisen, wie die Akku-Technik bei Arbeitsmitteln, Exo-Skelette, Homeoffice, New Work und KI bei den Betrieben steigt. Nicht immer gestaltet sich eine solche Umrüstung einfach, aber gerade durch die Pandemie gab es in einigen Bereichen ein Umgestaltungsprozess, den man sich vor einigen Jahren nicht hätte vorstellen können. Hinzu kommt auch eine neue Führungskultur, bei der die Führungskräfte näher an ihren Mitarbeitenden dran sind und Probleme frühzeitiger erkennen können.

Die Unternehmen dürfen nicht erst im Akutfall überlegen: Was mache ich jetzt mit den betreffenden Mitarbeitenden? Vielmehr muss es einen Plan für die Zukunft geben. 

Sebastian Steder

Sicherheitsingenieur, Standortleiter Hamburg/Hannover, ias Aktiengesellschaft

Woran liegt das? 

STEDER: Neue, bereits vorhandene Lösungen arbeiten häufig zu langsam, zu unflexibel oder aber sie sind zu kostenintensiv. Viele Unternehmen benötigen technische Lösungen, die einen hohen Grad an Flexibilität aufweisen – hierfür müssten sie hohe Summen aufbringen. Das lässt viele Betriebe einigermaßen hilflos zurück. Spätestens an diesem Punkt werden wir dann hinzugezogen. Wir arbeiten hier interdisziplinär: Gemeinsam mit Berater:innen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements oder Ergonomie-Instruktor:innen vermitteln wir den Beschäftigten das ergonomische Verhalten am Arbeitsplatz. Der Umgang mit schweren Lasten muss geübt werden. Fehler in der Bewegungsausführung haben sich oft über Jahre eingeprägt. Wir helfen dabei, dieses falsche Verhalten abzulegen und so vor Verletzungen und Gesundheitsschäden zu schützen. Bei der Analyse nutzen wir neben den bekannten Analyseinstrumenten wie der Leitmerkmalmethode auch digitale Methoden. So werden Belastungen beispielsweise mit einer Videoanalyse in Echtzeit grafisch dargestellt. Der Mitarbeitende kann live erleben, wie der Bewegungsablauf geändert werden muss, um Belastungen zu verringern.  

KAMPE: Zudem setzen Unternehmen vermehrt auf eigene Fitnessbereiche oder die Kooperation mit Fitnessstudios. Seit 2023 können sie außerdem die Fitnesswelt im „Mein ias“-Portal buchen. So kommt das Fitnessstudio zu den Mitarbeitenden nach Hause. Unternehmen sollten für ihre älteren Beschäftigten zudem frühzeitig in Ersatzarbeitsplänen alternative Arbeitsplätze erarbeiten. In der Praxis landen Mitarbeitende, die jahrzehntelang körperlich schwer gearbeitet haben, häufig von jetzt auf gleich an einem Bildschirmarbeitsplatz.

 

Die Arbeitswelt ist in Bewegung, daher sollten Unternehmen sie genau im Blick behalten.

Stefan Kampe

Diplom-Ingenieur der Sicherheitstechnik, ias Aktiengesellschaft

Auf den ersten Blick klingt das aber doch nach einer naheliegenden Lösung… 

STEDER: Naheliegend vielleicht, aber dabei wird übersehen, dass das den Betroffenen, die ihr Leben lang körperlich gearbeitet haben, möglicherweise kognitiv überfordert. Die Herausforderung ist, diese Menschen mitzunehmen und für diesen neuen Einsatz zu schulen. Das wird mitunter vernachlässigt. 
KAMPE: Hinzu kommt, dass gerade die Mitarbeitenden, die jahrelang an Bildschirmarbeitsplätzen tätig sind, durch eine verkrampfte Haltung und unbewegtes Sitzen vermehrt Rückenerkrankungen aufweisen. Wenn nun ältere Beschäftigte mit Rückenleiden auf solche Arbeitsplätze gesetzt werden, kann dies vorhandene Beschwerden noch verstärken. Dabei kann die Umgestaltung von Arbeitsprozessen bezüglich des Einsatzes vom Mischtätigkeit, der Wechsel von Haltungsarbeit und körperlicher dynamischer Belastung sehr positiv auf die Erhaltung der Arbeitskraft auswirken.

Was raten Sie den Unternehmen? 

STEDER: Im Mittelpunkt steht die Frage, wie das Arbeitsumfeld und die Arbeitsbedingungen gestaltet sein müssen, damit auch ältere Beschäftigte gesund, leistungsfähig, motiviert und kreativ bleiben. Die Unternehmen dürfen nicht erst im Akutfall überlegen: Was mache ich jetzt mit den betreffenden Mitarbeitenden? Vielmehr muss es einen Plan für die Zukunft geben. 
KAMPE: Meine Empfehlung lautet, nicht nur die älteren Beschäftigten zu entlasten, die eventuell bereits Schädigungen aufweisen, sondern auch präventiv den jungen, gesunden Mitarbeitenden adäquate Angebote zu machen. Dazu gehört auch, zu ermitteln, bei welchen Arbeitsschritten welche Belastungen entstehen. Eine ganzheitliche Gefährdungsbeurteilung ist hier das A und O. Die Maßgabe muss lauten: Der Arbeitsplatz ist so zu gestalten, dass er zu den Menschen passt. Nicht umgekehrt. 

Tipps für Arbeitgeber

  • Arbeitsmittel an den Menschen anpassen, nicht umgekehrt.
  • Im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) Ersatzarbeitsplätze erarbeiten.
  • Ältere Beschäftigte weiterhin in Qualifizierungs- und Entwicklungsmaßnahmen einbeziehen.
  • Arbeitsplätze ergonomisch gestalten – das verbessert die Arbeitsproduktivität. 
  • Job-Rotation und Mischtätigkeit ermöglichen, um einseitige Belastungen zu vermeiden.

 

  • Arbeitszeitgestaltung und Arbeitszeitflexibilität möglichst mit Selbstbestimmung der Beschäftigten.
  • Zur Inanspruchnahme der betrieblichen Angebote zur Gesundheitsförderung  motivieren.
  • Pausen- und Erholungszeiten gestalten.
  • Technologische Entwicklungen wie die Akku-Technik, Exo-Skelette, Homeoffice, New Work, KI beobachten und sinnvoll mit einbeziehen.

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