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Faktor Mensch im Arbeitsschutz

Das notwendige Bewusstsein für Gefahren ist entscheidend, um Unfälle zu vermeiden. Der tägliche Umgang mit Risiken und lange Betriebserfahrung führen jedoch dazu, dass Mitarbeitende unsichere Handlungen begehen. Gegen die erlernte Sorglosigkeit hilft, eine Sicherheitskultur zu etablieren, bei der Erkenntnisse der Verhaltenspsychologie zum Tragen kommen

Gefahr im Blick

Ralf-Paul Ness ist ias-Sicherheitsingenieur und zertifizierter Spezialist für Behavior Based Safety – zu Deutsch: verhaltensorientierter Arbeitsschutz. Wir haben ihn gefragt, wie aus Beobachtung von Risiken ein Kulturwandel für mehr Sicherheit wird.

Was bedeutet Behavior Based Safety?
Behavior Based Safety wendet die Erkenntnisse der Verhaltenswissenschaft auf das Thema Arbeitssicherheit an. Ziel ist es, das arbeitssichere Verhalten der Menschen zu verbessern. Dazu nutzen wir einen Prozess aus Ergebnisdefinition, Beobachtung, Feedback, Zielsetzung und positiver Verstärkung. Behavior Based Safety ist ein Angebot, bei dem verschiedene Fachdisziplinen die Kund:innen im Zusammenspiel unterstützen. Die Maßnahmen setzen sich aus mehreren Schritten zusammen, unter anderem Workshops, Trainings, Unfalluntersuchungen, Analysen und unterschiedliche Alltagstools.

Was ist das Ziel von Behavior Based Safety?
Als Spezialist für verhaltensorientierten Arbeitsschutz ist es meine Aufgabe, in Unternehmen langfristig einen nach haltigen Kulturwandel zu bewirken. Ziel ist es, dass Arbeitssicherheit nicht von oben diktiert, sondern von allen aktiv gelebt wird. Dazu ist es wichtig, dass im Unternehmen vom Betriebsrat über die Führungskraft bis hin zu den Mitarbeitenden alle eingebunden sind und sich auf die Verhaltensänderung einlassen. Dieser Prozess ist über mehrere Jahre angelegt.

Ralf-Paul Ness

Sicherheitsingenieur bei der ias-Gruppe

Wie kann dieses Ziel erreicht werden?
Das wichtigste Instrument bei Behavior Based Safety ist die genaue und selbstkritische Beobachtung. Damit ist gemeint, dass jede:r sich jederzeit fragt: „Ist das, was ich gerade mache, sicher?“ oder „Ist das, was ich gerade bei anderen sehe, sicher?“. Im Ergebnis geht es nicht um Kontrolle oder darum, Fehler anzuprangern, sondern darum, nach und nach eine Sicherheitskultur zu schaffen, in der jede:r das eigene Verhalten ändert. Genau das macht Behavior Based Safety so komplex und langwierig, denn es gibt nicht die „eine“ Umsetzung, sondern es braucht die genaue Anpassung der erforderlichen Maßnahmen auf die jeweiligen Bedingungen des Unternehmens.

Kommunikation über Fehler ist einer der Schlüsselfaktoren, um das Verhalten zu verändern und Unfällen besser entgegenzuwirken.

Der Faktor Mensch im Arbeitsschutz

Die Arbeitsschutzakteur:innen haben in den vergangenen Jahrzehnten große Erfolge erzielt, um die Arbeitsbedingungen und die Technik so zu gestalten, dass Menschen sicher und gesund arbeiten können. Damit dies auch künftig gelingt, arbeiten Sicherheitsingenieur:innen und Arbeitspsycholog:innen in der Arbeitssicherheitspsychologie zusammen. „Arbeitsschutz hat aber immer auch mit dem sicheren Verhalten des Menschen zu tun – nicht umsonst spricht man hier vom ‚Faktor Mensch‘ im Arbeitsschutz“, erklärt Markus Hey, Kompetenzfeldleiter Arbeitssicherheit bei der ias-Gruppe. Dieses Verhalten nimmt einen immer größeren Stellenwert ein. „Die Arbeitspsycholog:innen sind Expert:innen für das Erleben und Verhalten von Menschen, etwa menschliches Lernen, effektive Kommunikation und Führungshandeln. Sie beherrschen Methoden der Analyse, Informationsvermittlung und Intervention und können die Sicherheitsfachkräfte unterstützen, Sicherheit und Gesundheit im Betrieb weiterzuentwickeln, wenn die Technik an ihre Grenzen stößt.“

Ein wichtiger Baustein der Arbeitssicherheitspsychologie ist eine positive Fehlerkultur im Betrieb. Denn durch Fehler können Risiken und Schäden entstehen. Will man diese minimieren, ist es wichtig, einen neuen Umgang mit diesen zu etablieren. „Die Psychologie weiß, was eine positive Fehlerkultur auszeichnet: Kleine und große Fehler werden offen angesprochen“, erläutert Oliver Meltz, Kompetenzfeldleiter Psychologie. „Im Fokus steht dabei das Lernen aus Fehlern. Stellvertretendes Lernen erfolgt, wenn ein Kollege oder eine Kollegin einen Fehler macht, dieser besprochen wird und somit das gesamte Team daraus lernt. Man weist sich gegenseitig auf Fehler hin, weil man diese als Lernchance begreift.“

Dieser Artikel ist in dem ias-Kundenmagazin impulse erschienen, das Sie als ePaper abonnieren können.

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